16.07.2020 Sergio Gerosa am Giro d›Italia 1980
Unser Radsportfreund Sergio Gerosa gibt uns Einblick als ehemaliger Radprofi in das Tageswerk eines Giro-Teilnehmers. 15 Etappen des Giro d›Italia 1980 dürfen wir Zeuge sein, an den Kolumnen welche der äußerst talentierte Schreiberling für den Tagesanzeiger damals geschrieben hatte. Die Offenlegung dieses Tagebuches ist nicht selbstverständlich, deshalb sei Ihm der Einblick für die Radsportfreunde des Radrennclub Basel besonders verdankt mit einem grossen "Danggscheen". Der gediegen Leser und Insider des Radsports wird an den genial geschriebenen Zeilen und vor allem zwischen den Zeilen, seine helle Freude haben. Für 15 Etappen hat nun Sergio Gerosa das Wort, bitte schön... Bruno Wüest |
Giro d›Italia 1980
Die Ausgangslage war wenig vielversprechend: Nach einer schlechten ersten Profisaison 1979 in Italien stand ich für die Saison 1980 ohne Vertrag da. In Italien machten 5 von 14 Mannschaften den Laden dicht. Kein Geld. Und auf mich hatte niemand gewartet. Erstens hatte ich keine nennenswerten Resultate gezeigt, zweitens war ich Ausländer. Also beendete ich meine Laufbahn als Radrennfahrer und schrieb mich an der Uni als Jus-Student ein. Dort blieb ich aber nicht lange. Zu öde, zu trocken. Ich beschloss, noch eine Saison weiterzufahren. Irgendwie. Mein damaliger Klub, der VC Mendrisio übernahm die Spesen, und ich handelte mit Cilo-aufina einen free-lance Vertrag aus. Für 2500.- Franken wurde ich für Tour de Romandie, Frankfurter Weltcup, Zürimetzgete und Giro d›Italia verpflichtet. Viel war das nicht. Aber nicht viel weniger, als mir Ende des Vorjahres für einen ganzjährigen Vertrag angeboten wurde. Zudem hatte ich mir die Freiheit ausbedungen, mit den Velos meines langjährigen Mechanikers Fritz Brühlmann fahren zu dürfen. |
Die waren mir auf den Leib geschnitten. Insider wissen es: Fritz Brühlmann-Velos mit Estermann-Rahmen waren einsame Spitzenklasse. Das Material stimmte also. Aber die Kohle war knapp. Der Velo-Journalist Ernst Bretscher, der meine Laufbahn vom ersten Tritt an journalistisch in der Lokalpresse begleitete, ein guter Freund meiner Familie, hatte die Idee: Er wusste, dass ich nebenbei im Bulletin des Radfahrer-Vereins Höngg und in der Quartierzeitung «Der Höngger» Berichte über Clubrennen geschrieben hatte. «Schreib doch während des Giro eine Kolumne für eine grosse Zeitung.» , war sein Tipp. «Ich kenne da jemanden.» Wenige Tage später erhielt ich einen Anruf von Martin Born, dem Sportjournalisten des Tages-Anzeigers, Lieblingsgebiet Radsport. «Grüezi Herr Gerosa, können wir uns zu einem Zmittagessen treffen, ginge es Ihnen heute mittag in der Stadt?», das war der Startschuss. Allerdings mit Ladehemmung. Zwar hatte ich den Vertrag für die Kolumnen unterzeichnet, Martin Born hatte mir das «Du» angeboten, alles war besprochen. |
Doch am Morgen des Prologs in Genua wachte ich mit Fieber auf. Über 38 Grad. Projekt gescheitert, war mein erster Gedanke, und sagte dem Masseur, er solle mir doch eine Zugverbindung für die Rückfahrt nach Zürich heraussuchen. Ich könne so nicht starten. Den Prolog würde ich in dieser Verfassung nicht innerhalb des Kontrollschlusses beenden können. Minuten später kam unser Captain Godi Schmutz auf mich zu: «Du willst nach Hause gehen? Das ist nicht gut, ich wäre froh um dich, ich werde jeden Helfer gebrauchen. Und: Im Prolog gibts keinen Kontrollschluss.» Das war ausschlaggebend. So startete ich frierend mit langen Hosen, Wollmütze und Halstuch zum Prolog. Eine Velotour im Industriequartier von Genua. Mit deutlichem Abstand auf den Zweitletzten des Prologs. Die «maglia nera», damals Auszeichnung für den Letzten im Gesamtklassement hatte ich so auf sicher. Und erst noch 100`000 Lire in die Mannschaftskasse. Mit der Tagi-Kolumne wollte ich noch warten. Erst wenn das Fieber verschwunden war, würde ich die ersten Zeilen schreiben. Das war ab Start der 4. Etappe. |
Giro d›Italia 1980 / 4.Etappe, Parma - Marina di Pisa, 193 Km
Giro d›Italia 1980 / 5.Etappe, Pontedera - Marina di Pisa, Zeitfahren 37 Km
GIRO D›ITALIA 1980 / 6.ETAPPE, insel elba, 126 KM
Giro d›Italia 1980 / 10.Etappe, Sorrento - Palinuro 168 Km
Giro d›Italia 1980 / 11.Etappe, Palinuro - Campotenese, 145 Km
Giro d›Italia 1980 / 12.Etappe, Villapiana Lido - Lecce 203 Km
Giro d›Italia 1980 / 13.Etappe, Lecce - Barletto 220 Km
Giro d›Italia 1980 / 14.Etappe, Foggia - Roccarosa, 185 Km
Giro d›Italia 1980 / 15.Etappe, Roccarosa - Teramo, 194 Km
Giro d›Italia 1980 / 16.Etappe, Giulianova - Gatteo a Mare, 229 Km
Giro d›Italia 1980 / 17.Etappe, Gatteo a Mare - Sirmione , 237 Km
Giro d›Italia 1980 / 18.Etappe, Sirmione - Valzoldana , 239 Km
Pässe der 18.Etappe |
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Giro d›Italia 1980 / 19.Etappe, Longarone - Cles, 241 Km
Giro d›Italia 1980 / 20.Etappe, Cles - Sondrio, 218 Km
Giro d›Italia 1980 / 21.Etappe, Zeitfahren, 50 Km
Giro d›Italia 1980 / 22.Etappe, Rundstreckenrennen Milano 100 Km
Von der Schlussetappe in Mailand gibt es keine Kolumne mehr. Nach der Ankunft wollen die Rennfahrer möglichst schnell nach Hause. BW
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