Benni Rieker
Vorwort zu Benni Rieker
Benni war in der Basler Radsport-Szene der 50ziger und 60ziger Jahre als deutscher von Weil am Rhein voll integriert und nicht wegzudenken. Er war ein richtig "zäher Hund" und ein äusserst gewiefter Taktiker. Ich lernte Benni als Stift in der Firma Hoffmann La Roche kennen, wo wir später in der gleichen Abteilung arbeiteten. Benni nahm mich in die speziellen Trainings mit und so lernte ich eine ganz neue Form des trainierens kennen. Er war wahrscheinlich ein Vorreiter moderner Trainingsmethoden, indem er auf einem Rundkurs trainierte und mit knochenharten Antritten eine Art Intervalltraining simulierte. Es kamen immer mehr Rennfahrer über den Zoll nach Märkt um gemeinsam auf dem Rundkurs zu trainieren und es gewann grosse Beliebtheit. Benni war nicht so sehr Freund der Berge, aber manchmal war er erstaunlicherweise auch da nicht zu halten. So drückte er manchmal an der Scheidegg 52x13 bergauf, um etwas Kraft zu bekommen, wie er sagte. Er war unglaublich trainigsfleissig und gefahrene Kilometer im Regenschutz schrieb er nicht auf, die zählten einfach nicht. Eine Episode zum Trainingsfleiss:
So stand er am Sonntagmorgen 05:00h auf, schlich sich der schlafenden Familie davon und ging trainieren. Um 08.00h zurück und richtete der langsam erwachenden Familie das Frühstück. Nach dem Frühstück fragte etwas erstaunt die Familie "gehst du heute nicht trainieren", - ja gut dann geh ich halt ein bisschen! (Bruno Wüest)
Benni war in der Basler Radsport-Szene der 50ziger und 60ziger Jahre als deutscher von Weil am Rhein voll integriert und nicht wegzudenken. Er war ein richtig "zäher Hund" und ein äusserst gewiefter Taktiker. Ich lernte Benni als Stift in der Firma Hoffmann La Roche kennen, wo wir später in der gleichen Abteilung arbeiteten. Benni nahm mich in die speziellen Trainings mit und so lernte ich eine ganz neue Form des trainierens kennen. Er war wahrscheinlich ein Vorreiter moderner Trainingsmethoden, indem er auf einem Rundkurs trainierte und mit knochenharten Antritten eine Art Intervalltraining simulierte. Es kamen immer mehr Rennfahrer über den Zoll nach Märkt um gemeinsam auf dem Rundkurs zu trainieren und es gewann grosse Beliebtheit. Benni war nicht so sehr Freund der Berge, aber manchmal war er erstaunlicherweise auch da nicht zu halten. So drückte er manchmal an der Scheidegg 52x13 bergauf, um etwas Kraft zu bekommen, wie er sagte. Er war unglaublich trainigsfleissig und gefahrene Kilometer im Regenschutz schrieb er nicht auf, die zählten einfach nicht. Eine Episode zum Trainingsfleiss:
So stand er am Sonntagmorgen 05:00h auf, schlich sich der schlafenden Familie davon und ging trainieren. Um 08.00h zurück und richtete der langsam erwachenden Familie das Frühstück. Nach dem Frühstück fragte etwas erstaunt die Familie "gehst du heute nicht trainieren", - ja gut dann geh ich halt ein bisschen! (Bruno Wüest)
B. Rieker über B. Rieker ... oder man könnte auch sagen: Straße ohne Ende!
Zum Radsport kam ich über meine Schwester Anneliese. Sie hatte einen französischen Freund aus Paris, der ein richtiges Rennrad hatte - knallrot! Ich durfte ab und zu damit fahren. Damals war ich zehn Jahre alt. Es war das Jahr 1948, drei Jahre nach dem Krieg. Es gab nur wenig zu essen. Pro Person wurde einem in der Woche ein Laib Brot gegen Lebensmittelkarten ausgehändigt, und wir mußten dabei noch Schlange stehen. Beim Milch holen wurde ich einmal sogar verprügelt, weil ich versucht hatte, mich vor zu drängeln. Bei fünf Geschwistern war es nicht einfach, sich durchzubeißen. Im Sommer 1948 wurde in Weil am Rhein das erste Rundstrecken Rennen ausgetragen. Veranstalter war der Radsportverein RSV Wanderlust. Das Rennen war international und viele Basler Fahrer waren am Start. Jedes Mal, wenn sie an mir vorbeifuhren, bekam ich eine Gänsehaut. Es gab auch Stürze, und dabei lief es mir kalt über den Rücken. Bei der Jugend gewann Werner Gräßlien vor Rolf Steger, dem Deutschen Meister. Bei den Amateuren holte sich der Basler Scheuzi den Sieg. Scheuzi hatte auch die schönste Rennmaschine, wie ich fand. Dieses Radrennen war ein prägendes Erlebnis und für mich gab es nur noch eins: Radrennen zu fahren! Im Sommer 1953 war meine Zeit in der Volksschule beendet. In der Schule war ich nicht beliebt. Meine vier Schwestern drangsalierten mich öfters, sogar schon am frühen Morgen bevor der Unterricht begann. Nach der Schule trugen wir Kinder unter uns Freunden oft Radrennen aus. Fast alle hatten Damenräder. Bei diesen kleinen Rennen war ich immer sehr aggressiv. Keinen wollte ich am Zielstrich an mir vorbeilassen. Da wurden schon mal Ellenbogen und Fäuste eingesetzt. Mein erstes Rennen - man nannte es den „ersten Schritt“ - fand in aller Frühe um 6 Uhr in Haltingen statt. Die Schaltungen an den Rädern wurden blockiert, da wir nur einen Gang 48-17 fahren durften. Für die teilnehmenden Fahrer mit Drahtstreifen fiel der Startschuß fünf Minuten früher, für die Fahrer mit Rennreifen fünf Minuten später. Achtung, fertig, los! Ich sprintete davon! Ganz alleine fuhr ich die Strecke als sei eine Horde Wölfe hinter mir her. Kurz vor Badenweiler befand sich der Wendepunkt. Die Straße war mit Rollsplitt frisch geteert. Was passierte? Ich fiel beim Wenden auf die rechte Seite, und handelte mir dabei Schürfwunden am Ellenbogen und am Oberschenkel ein. Blutend fuhr ich weiter, alles tat mir weh. Nach Sitzenkirch in Richtung Kandern, ging es endlich bergab. Ich holte einen nach dem anderen, die vor mir gestartet waren, ein. Solo erreichte ich in Haltingen das Ziel! Dieses Rennen war eine einzige Schinderei. Die Belohnung bestand aus einer Siegerschleife und einem Blumenstrauß. Bei meinen folgenden kleinen Siegen, die ich im Laufe der Zeit einheimste, fiel immer der Spruch: ‚Hast Du wieder eine Friedhofsschleife gewonnen?‘. Die Rennen, die ich Anfang der 50er Jahre gewonnen hatte, wurden auch „Wurst- und Brot Rennen“ genannt, denn den Siegern winkten Prämien, manchmal sogar ein Kasten Bier. Aber zurück zu der Frage, wie ich zu meinem Rennrad kam. 1953 begann ich eine Vorlehre bei der Firma Arthur Dietrich in Weil am Rhein, einer Fräßer- und Werkzeugfabrik aus Genf in der Schweiz. Meine Gedanken kreisten ständig um ein eigenes Rennrad. Immer wenn ich Probleme hatte, die ich meistens für mich behielt, lief ich auf den Tüllinger Berg zum Lindenplatz. Dabei kam mir die rettende Idee. Geh‘ zum Lehrmeister, dachte ich, sage ihm was dich bedrückt. Mein Lehrmeister konnte mich gut leiden. Und ... er hatte ein gute Idee! Zwei Jahre lang sollte ich keinen Urlaub bekommen, dafür aber im Gegenzug 180 Deutsche Mark, für die ich mir ein gebrauchtes Rennrad kaufen konnte. Knallgrün war es! Die erste Zeit nahm ich das Rad mit auf mein Zimmer, eine Dachkammer. Es wurde gepflegt und gehegt wie ein Schatz. Nach jedem Training habe ich es geputzt. Ein Jahr später zog die Firma nach Blansingen. Für mich war das ideal, denn jetzt konnte ich vor der Arbeit trainieren. Bei schönem Wetter und wenn es trocken war, fuhr ich mit dem Rennrad zur Arbeit. Und nach der Arbeit legte ich einen Umweg über Kandern ein, und nahm eine Route zurück über die Lucke bis zum Riehener Zoll nach Hause. Denn ich wohnte direkt am Riehener Zoll. Bei schlechtem Wetter holte mich der Chef, der in Riehen wohnte, mit dem VW ab. Meine Lehrzeit werde ich nie vergessen, sie war ein Erlebnis. Junge Bauernmädchen hatten bei uns gearbeitet, und eine war ganz verrückt nach mir. Sie hatte etwas Thailändisches an sich. Vor der Arbeit musste sie immer die Kühe melken. Sie roch nach Mist und Kuhdung. Damals gab es noch keine Aufklärung, das wurde verschwiegen. Ich hatte sie sehr lieb, aber ich war zu blöd, etwas mit ihr anzufangen. Ich hatte nur Radrennen im Kopf. Kaum war die Lehre zu Ende, suchte ich eine Arbeit in Basel, denn in Basel stand die Winterradrennbahn, 160 Meter lang, steile Kurven aus Holz, 57 Grad. Wehe, man ist gestürzt, dann handelte man sich Brandwunden und Holzsplitter ein. Einmal ist mir ein Sturz passiert. Morgens um 3.45 Uhr musste mir ein Splitter so lang wie ein Bleistift aus dem Oberschenkel heraus operiert werden. Beim Röntgen hatte man die Holzlatte zuerst nicht gesehen. Erst als ich sagte, ich sei auf der Rennbahn gefahren, ging den Ärzten ein Licht auf, und sie kamen mit einer langen Zange. Von der Winterrennbahn in Basel könnte ich noch so viele Episoden erzählen. Dort waren Fahrer wie Rene Güdel, Isidor Wagner, Peter Zimmerli, Paul Kammerer, Max Baumann, Edelmann, Werner Arnold , Rene Wehrle, Peter Abt, Fritz Gallati und Kurt Steiner anzutreffen. Fahrer, die ich bewundert habe. Mit ihnen zusammen bin ich oft Rennen gefahren. Meistens waren es Kriterien, denn ich war ein guter Sprinter. Auf der Basler Winterbahn bekam ich auch den letzten Schliff, weil ich mir vieles von den schnellen Fahrern abschauen konnte. Sehr schnell waren Peter Zimmerli, Max Baumann und Hügle, aber Wehrle Rene war ultraschnell! Einmal ging einem Punktefahrer abends das Licht für zehn Sekunden aus. 20 Fahrer stürzten, nur der erste und der letzte Fahrer hatten Glück und kamen ohne Sturz davon: ein Züricher und ich! Der Züricher gewann, und ich wurde Zweiter. Oft wurden Basler Meisterschaften veranstaltet, und dabei ging es heiß zu. Basler Meister zu werden war so viel wie eine halbe Schweizer Meisterschaft zu gewinnen. Zum Länderkampf Schweiz-Italien-Deutschland war die Halle so voll, dass man im Innenraum kaum mehr stehen konnte. 14.000 Zuschauer waren gekommen, und man hätte glauben können, es handele sich um eine Weltmeisterschaft. Die besten Rennfahrer waren mit dabei: Rudi Altig, Oskar Plattner, von Büren, Maspes, Gaiardoni, Russo, Genia, Rolf Graf, Fritz Schär, Potzenheim und viele mehr, ich kann nicht alle aufzählen. Die Stimmung war wie in einem Hexenkessel! Es ist schade, dass die Winterbahn später nicht wieder aufgebaut wurde. In Basel hatte es dazu eine Volksabstimmung gegeben, wie es in der Schweiz so üblich ist, und es gab viele Gegner, die vom Radsport nichts verstanden. Ohne die Bahn fiel es uns Fahrern im Frühjahr schwer, wieder in Schwung zu kommen. Die Kriterien am 1. Mai in Basel waren, einen Kilometer um den Ciba Park zu fahren. Dieses Rennen wurde von der RRCB organisiert. Die besten Schweizer Amateure kamen, um teilzunehmen, aber auch Deutsche und Italiener. 1958 und 1960 konnte ich beide Vorrennen gewinnen, vor allem durch meine schnellen Sprints, die ich mir auf der Basler Winterbahn angeeignet hatte. Ich kannte viele Fahrer, mit denen ich trainiert habe und die Jahre später Radrennprofis wurden. Wir legten oft eine 5 Kilometer lange Trainingsrunde rund um Märkt ein. Außerhalb von Märkt ging es über die Autobahnbrücke, da wurde immer gespurtet. Und zwei Mal ging es über die Autobahn. Paul Köchli, genannt Päuli, war Schweizer Meister, und der schnellste Sprinter auf der Straße. Durch ihn wurde ich noch schneller. Er konnte riesige Gänge fahren und war ein guter Zeitfahrer. Gegen Päuli hatten wir keine Chance. Mit einem Riesengang gewann er stehend im Sattel. Pauli war immer gut gelaunt, er hatte immer etwas zu erzählen. Auch zu Päuli fällt mir eine kleine Episode ein. Der Pfarrer in Märkt drehte mit dem Fahrrad oft seine Runden durchs Dorf. Der damalige Bürgermeister von Märkt beklagte sich seinerzeit, dass die „Haltinger Rennfahrer“ den Dorfpfarrer belästigt haben sollen, ihm den Hut vom Kopf entrissen und anschließend in den Straßengraben geschmissen hätten. Von einigen Baslern erfuhr ich später, dass es Päuli war. Die Abendrennen im Elsaß fuhr ich am liebsten. Mit dabei waren meine Freunde Peter, Knut, Bruno, André Guidali und Bruder Ernesto, der auch als Profi Rennen gefahren ist. Paul Kammerer war meistens der Rennchef. Wir fuhren auch als richtige Mannschaft. Peter Abt besorgte uns weiße Zimba Trikots aus seiner Profizeit. Knut Stromsö, Peter, Bruno und ich fuhren taktisch von Peter Abt geführt alles in Grund und Boden. Die kleinen Geldpreise wurden gesammelt, bis einiges zusammen kam, und im Herbst haben wir es gemeinsam mit unseren Lieben verspachtelt. Mit den Baslern verbinde ich viele schöne Erinnerungen, und ich hoffe, dass es alle, mit denen ich jemals gefahren bin, noch gibt. Leider habe ich Alfred Jauslin, meinen ehemaligen Arbeitskollegen, mit dem ich viele Trainingseinheiten ausgefochten habe, aus den Augen verloren.
Zum Radsport kam ich über meine Schwester Anneliese. Sie hatte einen französischen Freund aus Paris, der ein richtiges Rennrad hatte - knallrot! Ich durfte ab und zu damit fahren. Damals war ich zehn Jahre alt. Es war das Jahr 1948, drei Jahre nach dem Krieg. Es gab nur wenig zu essen. Pro Person wurde einem in der Woche ein Laib Brot gegen Lebensmittelkarten ausgehändigt, und wir mußten dabei noch Schlange stehen. Beim Milch holen wurde ich einmal sogar verprügelt, weil ich versucht hatte, mich vor zu drängeln. Bei fünf Geschwistern war es nicht einfach, sich durchzubeißen. Im Sommer 1948 wurde in Weil am Rhein das erste Rundstrecken Rennen ausgetragen. Veranstalter war der Radsportverein RSV Wanderlust. Das Rennen war international und viele Basler Fahrer waren am Start. Jedes Mal, wenn sie an mir vorbeifuhren, bekam ich eine Gänsehaut. Es gab auch Stürze, und dabei lief es mir kalt über den Rücken. Bei der Jugend gewann Werner Gräßlien vor Rolf Steger, dem Deutschen Meister. Bei den Amateuren holte sich der Basler Scheuzi den Sieg. Scheuzi hatte auch die schönste Rennmaschine, wie ich fand. Dieses Radrennen war ein prägendes Erlebnis und für mich gab es nur noch eins: Radrennen zu fahren! Im Sommer 1953 war meine Zeit in der Volksschule beendet. In der Schule war ich nicht beliebt. Meine vier Schwestern drangsalierten mich öfters, sogar schon am frühen Morgen bevor der Unterricht begann. Nach der Schule trugen wir Kinder unter uns Freunden oft Radrennen aus. Fast alle hatten Damenräder. Bei diesen kleinen Rennen war ich immer sehr aggressiv. Keinen wollte ich am Zielstrich an mir vorbeilassen. Da wurden schon mal Ellenbogen und Fäuste eingesetzt. Mein erstes Rennen - man nannte es den „ersten Schritt“ - fand in aller Frühe um 6 Uhr in Haltingen statt. Die Schaltungen an den Rädern wurden blockiert, da wir nur einen Gang 48-17 fahren durften. Für die teilnehmenden Fahrer mit Drahtstreifen fiel der Startschuß fünf Minuten früher, für die Fahrer mit Rennreifen fünf Minuten später. Achtung, fertig, los! Ich sprintete davon! Ganz alleine fuhr ich die Strecke als sei eine Horde Wölfe hinter mir her. Kurz vor Badenweiler befand sich der Wendepunkt. Die Straße war mit Rollsplitt frisch geteert. Was passierte? Ich fiel beim Wenden auf die rechte Seite, und handelte mir dabei Schürfwunden am Ellenbogen und am Oberschenkel ein. Blutend fuhr ich weiter, alles tat mir weh. Nach Sitzenkirch in Richtung Kandern, ging es endlich bergab. Ich holte einen nach dem anderen, die vor mir gestartet waren, ein. Solo erreichte ich in Haltingen das Ziel! Dieses Rennen war eine einzige Schinderei. Die Belohnung bestand aus einer Siegerschleife und einem Blumenstrauß. Bei meinen folgenden kleinen Siegen, die ich im Laufe der Zeit einheimste, fiel immer der Spruch: ‚Hast Du wieder eine Friedhofsschleife gewonnen?‘. Die Rennen, die ich Anfang der 50er Jahre gewonnen hatte, wurden auch „Wurst- und Brot Rennen“ genannt, denn den Siegern winkten Prämien, manchmal sogar ein Kasten Bier. Aber zurück zu der Frage, wie ich zu meinem Rennrad kam. 1953 begann ich eine Vorlehre bei der Firma Arthur Dietrich in Weil am Rhein, einer Fräßer- und Werkzeugfabrik aus Genf in der Schweiz. Meine Gedanken kreisten ständig um ein eigenes Rennrad. Immer wenn ich Probleme hatte, die ich meistens für mich behielt, lief ich auf den Tüllinger Berg zum Lindenplatz. Dabei kam mir die rettende Idee. Geh‘ zum Lehrmeister, dachte ich, sage ihm was dich bedrückt. Mein Lehrmeister konnte mich gut leiden. Und ... er hatte ein gute Idee! Zwei Jahre lang sollte ich keinen Urlaub bekommen, dafür aber im Gegenzug 180 Deutsche Mark, für die ich mir ein gebrauchtes Rennrad kaufen konnte. Knallgrün war es! Die erste Zeit nahm ich das Rad mit auf mein Zimmer, eine Dachkammer. Es wurde gepflegt und gehegt wie ein Schatz. Nach jedem Training habe ich es geputzt. Ein Jahr später zog die Firma nach Blansingen. Für mich war das ideal, denn jetzt konnte ich vor der Arbeit trainieren. Bei schönem Wetter und wenn es trocken war, fuhr ich mit dem Rennrad zur Arbeit. Und nach der Arbeit legte ich einen Umweg über Kandern ein, und nahm eine Route zurück über die Lucke bis zum Riehener Zoll nach Hause. Denn ich wohnte direkt am Riehener Zoll. Bei schlechtem Wetter holte mich der Chef, der in Riehen wohnte, mit dem VW ab. Meine Lehrzeit werde ich nie vergessen, sie war ein Erlebnis. Junge Bauernmädchen hatten bei uns gearbeitet, und eine war ganz verrückt nach mir. Sie hatte etwas Thailändisches an sich. Vor der Arbeit musste sie immer die Kühe melken. Sie roch nach Mist und Kuhdung. Damals gab es noch keine Aufklärung, das wurde verschwiegen. Ich hatte sie sehr lieb, aber ich war zu blöd, etwas mit ihr anzufangen. Ich hatte nur Radrennen im Kopf. Kaum war die Lehre zu Ende, suchte ich eine Arbeit in Basel, denn in Basel stand die Winterradrennbahn, 160 Meter lang, steile Kurven aus Holz, 57 Grad. Wehe, man ist gestürzt, dann handelte man sich Brandwunden und Holzsplitter ein. Einmal ist mir ein Sturz passiert. Morgens um 3.45 Uhr musste mir ein Splitter so lang wie ein Bleistift aus dem Oberschenkel heraus operiert werden. Beim Röntgen hatte man die Holzlatte zuerst nicht gesehen. Erst als ich sagte, ich sei auf der Rennbahn gefahren, ging den Ärzten ein Licht auf, und sie kamen mit einer langen Zange. Von der Winterrennbahn in Basel könnte ich noch so viele Episoden erzählen. Dort waren Fahrer wie Rene Güdel, Isidor Wagner, Peter Zimmerli, Paul Kammerer, Max Baumann, Edelmann, Werner Arnold , Rene Wehrle, Peter Abt, Fritz Gallati und Kurt Steiner anzutreffen. Fahrer, die ich bewundert habe. Mit ihnen zusammen bin ich oft Rennen gefahren. Meistens waren es Kriterien, denn ich war ein guter Sprinter. Auf der Basler Winterbahn bekam ich auch den letzten Schliff, weil ich mir vieles von den schnellen Fahrern abschauen konnte. Sehr schnell waren Peter Zimmerli, Max Baumann und Hügle, aber Wehrle Rene war ultraschnell! Einmal ging einem Punktefahrer abends das Licht für zehn Sekunden aus. 20 Fahrer stürzten, nur der erste und der letzte Fahrer hatten Glück und kamen ohne Sturz davon: ein Züricher und ich! Der Züricher gewann, und ich wurde Zweiter. Oft wurden Basler Meisterschaften veranstaltet, und dabei ging es heiß zu. Basler Meister zu werden war so viel wie eine halbe Schweizer Meisterschaft zu gewinnen. Zum Länderkampf Schweiz-Italien-Deutschland war die Halle so voll, dass man im Innenraum kaum mehr stehen konnte. 14.000 Zuschauer waren gekommen, und man hätte glauben können, es handele sich um eine Weltmeisterschaft. Die besten Rennfahrer waren mit dabei: Rudi Altig, Oskar Plattner, von Büren, Maspes, Gaiardoni, Russo, Genia, Rolf Graf, Fritz Schär, Potzenheim und viele mehr, ich kann nicht alle aufzählen. Die Stimmung war wie in einem Hexenkessel! Es ist schade, dass die Winterbahn später nicht wieder aufgebaut wurde. In Basel hatte es dazu eine Volksabstimmung gegeben, wie es in der Schweiz so üblich ist, und es gab viele Gegner, die vom Radsport nichts verstanden. Ohne die Bahn fiel es uns Fahrern im Frühjahr schwer, wieder in Schwung zu kommen. Die Kriterien am 1. Mai in Basel waren, einen Kilometer um den Ciba Park zu fahren. Dieses Rennen wurde von der RRCB organisiert. Die besten Schweizer Amateure kamen, um teilzunehmen, aber auch Deutsche und Italiener. 1958 und 1960 konnte ich beide Vorrennen gewinnen, vor allem durch meine schnellen Sprints, die ich mir auf der Basler Winterbahn angeeignet hatte. Ich kannte viele Fahrer, mit denen ich trainiert habe und die Jahre später Radrennprofis wurden. Wir legten oft eine 5 Kilometer lange Trainingsrunde rund um Märkt ein. Außerhalb von Märkt ging es über die Autobahnbrücke, da wurde immer gespurtet. Und zwei Mal ging es über die Autobahn. Paul Köchli, genannt Päuli, war Schweizer Meister, und der schnellste Sprinter auf der Straße. Durch ihn wurde ich noch schneller. Er konnte riesige Gänge fahren und war ein guter Zeitfahrer. Gegen Päuli hatten wir keine Chance. Mit einem Riesengang gewann er stehend im Sattel. Pauli war immer gut gelaunt, er hatte immer etwas zu erzählen. Auch zu Päuli fällt mir eine kleine Episode ein. Der Pfarrer in Märkt drehte mit dem Fahrrad oft seine Runden durchs Dorf. Der damalige Bürgermeister von Märkt beklagte sich seinerzeit, dass die „Haltinger Rennfahrer“ den Dorfpfarrer belästigt haben sollen, ihm den Hut vom Kopf entrissen und anschließend in den Straßengraben geschmissen hätten. Von einigen Baslern erfuhr ich später, dass es Päuli war. Die Abendrennen im Elsaß fuhr ich am liebsten. Mit dabei waren meine Freunde Peter, Knut, Bruno, André Guidali und Bruder Ernesto, der auch als Profi Rennen gefahren ist. Paul Kammerer war meistens der Rennchef. Wir fuhren auch als richtige Mannschaft. Peter Abt besorgte uns weiße Zimba Trikots aus seiner Profizeit. Knut Stromsö, Peter, Bruno und ich fuhren taktisch von Peter Abt geführt alles in Grund und Boden. Die kleinen Geldpreise wurden gesammelt, bis einiges zusammen kam, und im Herbst haben wir es gemeinsam mit unseren Lieben verspachtelt. Mit den Baslern verbinde ich viele schöne Erinnerungen, und ich hoffe, dass es alle, mit denen ich jemals gefahren bin, noch gibt. Leider habe ich Alfred Jauslin, meinen ehemaligen Arbeitskollegen, mit dem ich viele Trainingseinheiten ausgefochten habe, aus den Augen verloren.