Erdbeeben, Eisregen und Pannen
1984 erging an den SRB eine Einladung zur Teilnahme an der Chile-Rundfahrt. Nationaltrainer Oscar Plattner selektionierte
5 Fahrer, einen Teamchef und mich als Mechaniker. Wir alle naiv und unvorbereitet freuten uns auf ein "Rundfährtli" bei warmem Wetter in der Nähe des Äquators. Es sollte jedoch alles ganz anders kommen.
Nach der Ankunft in Santiago bezogen wir für zwei Nächte das Hotel und hatten uns dann am Hauptbahnhof einzufinden. Alle und alles inklusive Fahrzeuge waren in einen Sonderzug zu verfrachten. Die Personen- Ess- und Schlafwagen waren uralt, aber perfekt restauriert. Das Interieur war aus edlen Hölzern gefertigt und an teuren Stoffen wurde nicht gespart. Wir kamen uns vor wie die Rinderbarone im Film "Spiel mir das Lied vom Tod". Das Bahngeleise jedoch war in einem erbärmlichen Zustand. Wir wurden massiv durchgeschüttelt und hofften, dass der Zug nicht etwa entgleise. Beim Trinken war es fast unmöglich, die Tasse oder das Glas am Mund anzusetzen, es wurde mehr verschüttet als getrunken. Wir hatten Spass daran und lachten Tränen.
Was wir anfangs nicht wussten, dass die Reise 24 Stunden Nonstop alles Richtung Süden führen würde, das heisst, wir rückten dem Südpol immer näher entgegen. Endstation war die Hafenstadt Puerto Montt. Dort endet auch das Eisenbahn- und Strassennetz Chiles. Eine Weiterreise ist nur noch per Schiff möglich. Wir stiegen aus dem geheizten Zug und schauten uns staunend um. Ausser dem Nebel war nichts zu sehen, es stank nach verdorbenem Fisch und die Kälte drückte schon durch unsere Kleidung.
Am andern Tag wurde zur Rundfahrt gestartet. Es war kalt, jedoch ohne Regen. Die ganze Rundfahrt verlief schnurgerade auf der einzigen Strasse, der berühmten Panamericana, die von Chile bis nach Alaska führt. Jetzt natürlich Richtung Norden bis Santiago. Start- und Zielorte waren jeweils die Städte dazwischen. Vom Veranstalter wurde uns ein Motorradfahrer, der mit dem Teamchef dem Fahrerfeld oder Ausreissern zu folgen hatte, zur Verfügung gestellt. Dazu noch ein Pickup mit Chauffeur, ein stoischer und lieber Kerl der aussah die der "Sergente Garçia" aus den Zorro-Filmen. Wir nannten ihn auch so. Auf die Ladefläche kamen Ersatzvelos, Material und Werkzeuge, alles ungeschützt dem Regen und Langfingern ausgesetzt.
Das Zimmer teilte ich während der ganzen Rundfahrt mit dem Tessiner Rocco Cattaneo. Fast jeden Morgen um etwa 5 Uhr wurden wir jäh durch ein Rütteln und Poltern geweckt. Wir liessen uns belehren, dass das kleinere Erdbeben sind und man sich halt daran gewöhnen muss. Am Anfang setzte uns die Sache arg zu. Denn an ein Weiterschlafen nach dem Beben war nicht zu denken, wir wurden jedes Mal zu nervös und ängstlich.
Rocco Cattaneo gewann souverän die erste Etappe und trug das gelbe Trikot.
Die zweite Etappe wurde zum Inferno. Kälte, Regen, ja sogar Eisregen setzten den Fahrern arg zu. Bei einem Radwechsel sagte mir Rocco vor Kälte schlotternd "Einverstanden Gerd, wir beide gehen nie wieder nach Chile zurück". Unendlich viele Strassenbaustellen, ständig musste zur Gegenfahrbahn hinüber gewechselt werden, forderten den Fahrern einiges an Durchhaltewillen ab. Aufgerissener Asphalt und Beton, ja sogar Schuttberge mussten zu Fuss überquert werden. Reifendefekte noch und noch. Die Ersatzlaufräder waren im Nu weg und ich begann während der Fahrt im strömenden Regen laufend neue Reifen aufzuziehen und zu pumpen. Die Fahrer rissen mir sogar die noch nicht ganz gepumpten Laufräder aus den Händen. Tagestotal 17 Reifendefekte! Der Bestand an neuen Reifen ging schnell dem Ende zu, Zum Glück hat mir der erfahrene Nationalmechaniker Fritz Brühlmann noch eine Tennistasche voll gebrauchter und geflickter Reifen mitgegeben. Ohne die hätten wir die Übung abbrechen müssen, denn in ganz Chile war kein Ersatz zu beschaffen. Chile war ein armes Land, Rennvelos und Teile demzufolge Mangelware. Am Ende der Rundfahrt standen die Einheimischen vor dem Hotel Schlange, um Velos und Ersatzmaterial zu kaufen. Ich nahm nur noch mein persönliches Werkzeug nach Hause mit.
Je weiter die Rundfahrt nach Norden zog, je normaler wurden die Verhältnisse. Es wurde wärmer und die Strassenverhältnisse perfekter.
Das Ende der Schlussankunft verlief noch etwas dramatisch. Als wir uns Santiago näherten, strömten in den Vororten von allen Seitenstrassen Rollerfahrer her und mischten sich dreist unter das Fahrerfeld und die Begleitkolonne.. Wohl aus südländischer Begeisterung, sie störten jedoch, denn wir verloren den Kontakt zu unseren Fahrern. Als es mir zu bunt wurde, schüttelte ich den Inhalt von Cola-Flaschen und besprühte damit die Helmvisiere der Störenfriede. Aber kaum war einer weg, wurde das Loch von einem andern zugemacht. Die Zielankunft war auf einer stillgelegten Piste des Flugplatzes von Santiago. Abertausende von Zuschauern umringten uns. Den Fahrern wurden die Mützen vom Kopf gerissen und die Bidons aus den Haltern gestohlen. Ich stand auf der Pritsche des Pickups, bewaffnet mit der Standpumpe, um auf Diebeshände einzuschlagen.
5 Fahrer, einen Teamchef und mich als Mechaniker. Wir alle naiv und unvorbereitet freuten uns auf ein "Rundfährtli" bei warmem Wetter in der Nähe des Äquators. Es sollte jedoch alles ganz anders kommen.
Nach der Ankunft in Santiago bezogen wir für zwei Nächte das Hotel und hatten uns dann am Hauptbahnhof einzufinden. Alle und alles inklusive Fahrzeuge waren in einen Sonderzug zu verfrachten. Die Personen- Ess- und Schlafwagen waren uralt, aber perfekt restauriert. Das Interieur war aus edlen Hölzern gefertigt und an teuren Stoffen wurde nicht gespart. Wir kamen uns vor wie die Rinderbarone im Film "Spiel mir das Lied vom Tod". Das Bahngeleise jedoch war in einem erbärmlichen Zustand. Wir wurden massiv durchgeschüttelt und hofften, dass der Zug nicht etwa entgleise. Beim Trinken war es fast unmöglich, die Tasse oder das Glas am Mund anzusetzen, es wurde mehr verschüttet als getrunken. Wir hatten Spass daran und lachten Tränen.
Was wir anfangs nicht wussten, dass die Reise 24 Stunden Nonstop alles Richtung Süden führen würde, das heisst, wir rückten dem Südpol immer näher entgegen. Endstation war die Hafenstadt Puerto Montt. Dort endet auch das Eisenbahn- und Strassennetz Chiles. Eine Weiterreise ist nur noch per Schiff möglich. Wir stiegen aus dem geheizten Zug und schauten uns staunend um. Ausser dem Nebel war nichts zu sehen, es stank nach verdorbenem Fisch und die Kälte drückte schon durch unsere Kleidung.
Am andern Tag wurde zur Rundfahrt gestartet. Es war kalt, jedoch ohne Regen. Die ganze Rundfahrt verlief schnurgerade auf der einzigen Strasse, der berühmten Panamericana, die von Chile bis nach Alaska führt. Jetzt natürlich Richtung Norden bis Santiago. Start- und Zielorte waren jeweils die Städte dazwischen. Vom Veranstalter wurde uns ein Motorradfahrer, der mit dem Teamchef dem Fahrerfeld oder Ausreissern zu folgen hatte, zur Verfügung gestellt. Dazu noch ein Pickup mit Chauffeur, ein stoischer und lieber Kerl der aussah die der "Sergente Garçia" aus den Zorro-Filmen. Wir nannten ihn auch so. Auf die Ladefläche kamen Ersatzvelos, Material und Werkzeuge, alles ungeschützt dem Regen und Langfingern ausgesetzt.
Das Zimmer teilte ich während der ganzen Rundfahrt mit dem Tessiner Rocco Cattaneo. Fast jeden Morgen um etwa 5 Uhr wurden wir jäh durch ein Rütteln und Poltern geweckt. Wir liessen uns belehren, dass das kleinere Erdbeben sind und man sich halt daran gewöhnen muss. Am Anfang setzte uns die Sache arg zu. Denn an ein Weiterschlafen nach dem Beben war nicht zu denken, wir wurden jedes Mal zu nervös und ängstlich.
Rocco Cattaneo gewann souverän die erste Etappe und trug das gelbe Trikot.
Die zweite Etappe wurde zum Inferno. Kälte, Regen, ja sogar Eisregen setzten den Fahrern arg zu. Bei einem Radwechsel sagte mir Rocco vor Kälte schlotternd "Einverstanden Gerd, wir beide gehen nie wieder nach Chile zurück". Unendlich viele Strassenbaustellen, ständig musste zur Gegenfahrbahn hinüber gewechselt werden, forderten den Fahrern einiges an Durchhaltewillen ab. Aufgerissener Asphalt und Beton, ja sogar Schuttberge mussten zu Fuss überquert werden. Reifendefekte noch und noch. Die Ersatzlaufräder waren im Nu weg und ich begann während der Fahrt im strömenden Regen laufend neue Reifen aufzuziehen und zu pumpen. Die Fahrer rissen mir sogar die noch nicht ganz gepumpten Laufräder aus den Händen. Tagestotal 17 Reifendefekte! Der Bestand an neuen Reifen ging schnell dem Ende zu, Zum Glück hat mir der erfahrene Nationalmechaniker Fritz Brühlmann noch eine Tennistasche voll gebrauchter und geflickter Reifen mitgegeben. Ohne die hätten wir die Übung abbrechen müssen, denn in ganz Chile war kein Ersatz zu beschaffen. Chile war ein armes Land, Rennvelos und Teile demzufolge Mangelware. Am Ende der Rundfahrt standen die Einheimischen vor dem Hotel Schlange, um Velos und Ersatzmaterial zu kaufen. Ich nahm nur noch mein persönliches Werkzeug nach Hause mit.
Je weiter die Rundfahrt nach Norden zog, je normaler wurden die Verhältnisse. Es wurde wärmer und die Strassenverhältnisse perfekter.
Das Ende der Schlussankunft verlief noch etwas dramatisch. Als wir uns Santiago näherten, strömten in den Vororten von allen Seitenstrassen Rollerfahrer her und mischten sich dreist unter das Fahrerfeld und die Begleitkolonne.. Wohl aus südländischer Begeisterung, sie störten jedoch, denn wir verloren den Kontakt zu unseren Fahrern. Als es mir zu bunt wurde, schüttelte ich den Inhalt von Cola-Flaschen und besprühte damit die Helmvisiere der Störenfriede. Aber kaum war einer weg, wurde das Loch von einem andern zugemacht. Die Zielankunft war auf einer stillgelegten Piste des Flugplatzes von Santiago. Abertausende von Zuschauern umringten uns. Den Fahrern wurden die Mützen vom Kopf gerissen und die Bidons aus den Haltern gestohlen. Ich stand auf der Pritsche des Pickups, bewaffnet mit der Standpumpe, um auf Diebeshände einzuschlagen.