Film "Mit Eddy Merckx", Besser Velofahren mit Eddy Merckx
01.05.2020 Marcel und Monique Segessemann
Marcel Segessemann ist uns mittlerweile ein Begriff als Redaktor von radsportseiten.net für den deutschsprachigen Bereich. Das aber radsportlich noch viel mehr hinter Marcel und seiner bezaubernder Frau Monique steckt, dürfen wir hier erfahren. Nebst einem unglaublichen Netzwerk zu allen Radsportgrössen der Welt, sticht kein geringerer als Eddy Merckx hervor. Auf Du und Du mit dem grössten Radsportler aller Zeiten, erfahren wir hier unter anderem, dass Merckx Baron ist und seine Frau Ihn in der dritten Person anspricht, oft üblich in traditionellen Familien. Als besonderer Clou wurde 1988 der Film "Mit Eddy Merckx" (Besser Velofahren mit Eddy Merck) gedreht, indem die Frau von Marcel, eben Monique, die weibliche Darstellerin als Rennfahrerin verkörperte.
Der Drehbuchautor und Regisseur Sergio Gerosa ist unserer Radsportgeneration nicht unbekannt. Der Spitzenelitefahrer und Ex-Profi kennt den Radsport aus dem FF und konnte zusammen mit Merckx eine eindrückliche Radsportschulung in Szene setzen. Mit dem gigantischen Medien-Netzwerk von Sergio Gerosa ist es uns gelungen, dieses Video exklusiv auf unserer Homepage zu zeigen. Die Ringier AG gibt uns ausdrücklich das Copyright auf unserer Homepage. BW © Mit freundlicher Genehmigung der Ringier AG |
Marcel Segessemann
Ich lernte Merckx im November 1988 in Meise kennen mit der Geschichte des Taxichauffeurs. Monique war im folgenden Jahr im Februar mit den belgischen Amateuren, Eddy Merckx und Patrick Sercu eine Woche im Trainingslager auf Lanzarote im Club La Santa. (Da war ich nicht dabei). Warum eigentlich Monique zum Film kam war, dass sie Sergio Gerosa empfohlen wurde und Sergio sie mit dem heute etwas fremden „Frauenrad“ ausgestattet hatte. Sie musste sich auf dem Rad ohne Pedalriemen oder Looksystem gewöhnen und absolvierte etliche Km auf diesem gesponserten Rad vor den Dreharbeiten. Den Kontakt zu Merckx geschah für mich nach dem Dreh. Vorher hatte ich ihn einmal an der Tour de Suisse in Silvaplana erlebt, als er den 30ten Geburtstag feierte im gleichen Hotel wie die Cardinalboys in der Reklamekolonne der TdS. Hatte aber da keinen Kontakt. Die Geschichte mit dem Taxichauffeur: An einem Donnerstag 1988 im November kam ich von der Arbeit nach Hause und Monique erklärte mir, dass Eddy Merckx angerufen habe und gefragt ob sie und ihr Mann an das 6-Tagerennen in Gent kommen wollen. Monique buchte für Freitag einen Flug Bern-Brüssel mit der Crossair. Angekommen in Brüssel nahmen wir ein Taxi um in den Ortsteil von Meise zu fahren, wo Merckx wohne und auch die Fabrik der Eddy Merckx Rennvelos sich befand. Der Taxichauffeur hatte keine Ahnung wo in Meise Merckx wohnte. Monique zeigte ihm den schmalen Weg bis vor das Haus. Da meinte der Taxichauffeur: Ich warte hier, denn Merckx wird die Türe nicht öffnen, dies weiss ich aus Erfahrung. Die Türe wurde geöffnet und Merckx und seine Frau standen an der Türe. Der Taxichauffeur machte einen Satz aus dem Auto und bettelt: Monsieur Merckx bitte geben Sie mir ein eine Foto mit Unterschrift. Dies bekam er. Au revoir und die Türe wurde von innen mit uns geschlossen. Die erste Frage war: Monique trinken wir ein Glas Fendant ? (Ich denke es war nicht das erste Glas Fendant zusammen) Und Monsieur was wünschen Sie ? Ein Bier bitte, Welche Sorte ? Als CARDINAL Mensch kannte ich die bekanntesten Biere Belgiens und nahm ein feines Westmalle Trappistenbier. Er rufte Partick Sercu an und meinte anschliessend: 4 Eintrittskarten liegen in der Kuipke für Samstagabend, so heisst das Velodrome im Citadellenpark von Gent bereit. Ich rufte dagegen auch einen Ex-Profi an ob er am Samstag an das 6-Tagerennen kommen wolle. Der meinte wohl ich spinne, denn jeden Tag war die Halle ausverkauft. Erst Merckx sagte ihm, dass alles korrekt sei. Wir sassen oberhalb der Zielgerade mit Van Springel, De Vlaeminck, Stevens, Baert und weiteren Cracks auf den besten Plätzen. |
Als Eddy Merckx den Betrieb aufgab, waren wir bei ihm und Vic Van Schil war auch mit seiner Frau anwesend. Alle 3 Monique und die Van Schil’s konnten sich bedienen. Als ich fragte was dies kostet: meinte er, Er verschenke solche Sachen nur Freunden. Van Schil war 9 Jahre im Team von Merckx. Mir schenkte er einen Kalender mit 12 Monatsblätter, wo seine Siege am Tag des Datums aufgeführt sind Total 525 Siege auf der Strasse und 98 Bahnrennen, davon 17 Mal ein 6-Tagerennen und den Stundenweltrekord am 25. Oktober 1972 mit 49 Km 431 Meter in Mexico-Stadt. Am Freitag Nachmittag nahm sich Eddy Merckx Zeit die Abmessungen an Monique vor für ein persönliches Rennrad herzustellen. Walter Godefroot brachte dieses Merckx Rennrad im folgenden April nach Bern zur Berner-Rundfahrt. Eddy Merckx wollte, dass Monique nicht mehr Colnago fahre und jetzt einen Merckxrenner mit Campagnolo fahren müsse. Für mich war dies natürlich einen absoluten HIT in diesem Hexenkessel der Kuipke. Die Bahn misst 166 Meter, den Spektakel zu erleben. |
Sergio Gerosa Ex-Profi, Regisseur und Drehbuchautor zum Film "Mit Eddy Merckx" |
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Das Leben in Kurzfassung
Geboren und aufgewachsen ist Sergio Gerosa in Zürich Neuaffoltern. In einer Rennfahrer-Familie. Sein Vater war Olympiateilnehmer im Bahnvierer 1948 in London, somit waren die Voraussetzungen gegeben, dass er und sein Bruder Luciano auch in den Rennsattel steigen würden. Als Elite-Amateur, unter Vertrag als Einzelfahrer beim legendären Mechaniker Fritz Brühlmann, konnte der Stadtzürcher einige Erfolge feiern: Gewinner Biel-Magglingen (als hommage an Marcel Segessemann) am Morgen, nachmittags Dritter im Kriterium in Riehen (Basel..), Etappensieg am GP Wilhelm Tell, GP Suisse da la Route mit Bergpreis und Mannschaftsklassement, 8. Tour de l’Avenir, 10. Giro d’Italia, Sieger im Zürcher Sechstagerennen 1976, Zweiter der Irlandrundfahrt. 1979 Übertritt zu den Profis in die italienische Manschaft Sapa-assicurazioni, geleitet von Franco Cribiori. Nennenswerte Resultate blieben in der obersten Kategorie aus. Sergio Gerosa betätigte sich schon in den Juniorenzeiten als Schreiberling. Artikel im Bulletin seines Radfahrervereins Höngg, oder in der Quartierzeitung «Der Höngger», Thema natürlich Radsport, waren von ihm gezeichnet. In seinem letzten Profirennen auf der Strasse, dem Giro d’Italia 1980 fiel er dann auf – nicht mit Leistungen auf dem Rad, sondern im Tages-Anzeiger. Täglich schrieb er eine Kolumne. Ein Novum damals. Noch ohne Computer, nur per Handnotiz und Übermittlung am Telefon. Deadline jeweils 23 Uhr. Sein Berufsweg war damit vorgezeichnet. Der Tagi, auf Empfehlung von Sportredaktor und Veloinsider Martin Born, bot Gerosa nach dem Giro eine Volontärstelle in der Sportredaktion an, doch die Möglichkeit, beim Schweizer Fernsehen eine Redaktorenausbildung zu starten, reizte ihn mehr. 35 Jahre war der Leutschenbach sein berufliches Zuhause. In den verschiedensten Redaktionen. Sport, Vorabendmagazin Karussel, 10vor10, Medizinsendung PULS und zum Schluss während 15 Jahren Produzent für Liveübertragungen von Sportanlässen. Skirennen in der Schweiz, Fussballspiele von Super- bis Championsleague, Leichtathletik Zürich, Skirennen an Olympia in Turin, Vancouver und Sotchi waren neben vielem anderen die grössten Anlässe – und dann natürlich Radrennen. Bei Zürimetzgete, Radquer Wetzikon, der Rad-WM in Mendrisio 2009 insgesamt 14 mal Tour de Suisse, und der Bahn-EM 2015 in Grenchen war sein Insiderwissen gefragt. |
Video mit Eddy Merckx
Seine Tätigkeit am Leutschenbach unterbrach er von 1988 bis 1991. Einerseits um als Journalist in der Zeitung «Sport» (Chefredaktor damals Martin Born) aus dem Radsport zu berichten, andererseits auch um als freier Filmer bei der Ringier-Tochter Rincovision Auftragsfilme zu realisieren. Und da verwirklichte er seinen Traum. Der Tipp dazu kam von Peter Wullschleger, Kameramann beim Fernsehen, mit dem Gerosa diverse Radbeiträge realisiert hatte. «Mach doch es Lehrvideo, du weisch so vill übers Velofahre», so Radfan Wullschleger’s Ratschlag. Die Idee begann zu reifen, nahm immer mehr Gestalt an. Basis soll eine Gruppe von drei Radlern und einer Radlerin sein. Das Ziel: Verschiedene Kategorien von Radfahrern lernen von einem Fachmann Basiswissen, Kniffs und Tricks rund ums Velo. Wenn schon, denn schon, nur das Beste ist gut genug, das war die Maxime. Und so griff Gerosa zum Telefon und bat den grossen Eddy Merckx um einen Besprechungstermin. Nun, ganz so einfach ging das natürlich nicht. Über Hans Brunner, den ehemaligen Masseur von Eddy Merckx, der später den Fussballklub GC begleitete, und auch kurzzeitig die Waden von Gerosa in seiner Rennfahrerzeit geschüttelt hatte, entstand der erste Kontakt. Kurz darauf sass Gerosa mit seinem Storyboard, dem illustrierten Drehbuch, in Brüssel, genauer in Meise im Büro des grossen Meisters. Mit Herzklopfen und Respekt. Die Sache interessierte Merckx, Zeit habe er zwar keine, aber er werde noch die Meinung seiner Fachleute einholen. Eine Woche später dann die Überraschung: Eddy sagte zu, reiste nach Zürich zur Vertragsunterzeichnung, und Gerosa war im siebten Himmel. Mit Eddy Merckx arbeiten zu dürfen, das war Geburtstag und Weihnachten in einem! Und so war es auch. Intensive, spannende drei Wochen Dreharbeit im Engadin, in Belgien und im Studio in Zürich, zwei Wochen Schnitt und 1 Woche für Text und Übersetzungen waren nötig, um die 60minütige Videokassette für die Velofans zu produzieren. 5 Sprachversionen wurden erstellt, Deutsch, Flämisch, Französisch, Italienisch und Englisch. Merckx interessierte sich schon damals für den Markt in den USA. Die Promotion lief auf vollen Touren. Eine Doppelseite erschien im Ringier-Blatt Sonntagsblick und auch andere Zeitungen nahmen das Thema auf. Und das «Sportpanorama» des Schweizer Fernsehens packte die Gelegenheit, den grössten Rennfahrer aller Zeiten einmal ins Studio im Leutschenbach einladen zu dürfen. Ein toller Erfolg. Selbst einen Filmpreis in der Kategorie «Lehrvideo» holte die Kassette in Deutschland. Ein unvergessliches Erlebnis. |
Zwei kleine Anekdoten
Aus der Fülle der Erinnerungen zieht Gerosa zwei kleine Begebenheiten heraus, die ihn riesig beeindruckt hatten. Und die etwas aussagen über das Wesen von Eddy Merckx. «Wir drehten am Bernina-Pass. Bergabfahren, Kurventechnik und Ideallinie bei hohem Tempo war das Thema. Einem Porsche Carrera hatten wir die Fronthaube entfernt und den Kameramann Hans Witschi mit Spansets fixiert, damit er die rasende Abfahrt von Merckx von hinten filmen konnte. Am Steuer sass der Leiter der Rincovison, Wolfgang Frei, er war im Besitz einer Autorenn-Lizenz, er würde versuchen, an Merckx dranzubleiben. Eddy hatte Spass daran, donnerte auf der abgesperrten Passstrasse hinunter wie in alten Zeiten. Nach den gelungenen Aufnahmen kam Eddy zu mir und fragte, ob er noch eine Fahrt auf der abgesperrten Passstrasse fahren dürfe, das sei so herrlich, ohne Gegenverkehr. Ein kurzes Augenzwinkern zum Kameramann, ein Satz mit den Verkehrspolizisten, die die Strassensperre für die Filmaufnahmen errichtet hatten, und Eddy raste nochmals eine Runde Vollgas den Pass hinunter. Für sich alleine. Freude pur leuchtete aus seinen Augen. Radfahren, das ist seine Leidenschaft, auch zehn Jahre nach Karrierenende. Später am Tag, so gegen 14 Uhr fragte er, ob wir denn keine Mittagspause machen würden. Das Wetter schlage bald um, das verändere das Licht, und wir müssten noch ein paar Takes drehen, war meine Antwort. Durcharbeiten war angesagt. Eddy hatte für 1-2 Stunden Drehpause, wir mussten separate Aufnahmen machen, da brauchte er nicht dabei zu sein. Keine Stunde später sah ich ihn im Renntrikot, in Vollmontur den Berg hinauffahren kommen. Eine Hand am Lenker, in der anderen eine Papiertragtasche. Auf meinen leicht irritierten Blick sagte er nur mit einem verschmitzten Schmunzeln: «Ich habe gedacht etwas zu Essen und Trinken kann die Crew doch gebrauchen. So zwischendurch.» Und er legte Sandwiches, Colabüchsen und Nussgipfel auf der Ablage des VW-Bus bereit. Ich war baff, gerührt und tief beeindruckt. Der grosse Eddy Merckx geht per Velo und in Rennmontur einkaufen im Dorflädeli am Berninapass, damit die Filmcrew nicht verhungern müsste.» Und zum Schluss noch ein Insiderhinweis: Als Technischer Assistent erscheint auf den Schlusstiteln der Name Marc Locatelli. Den Basler Radfans als Ex-Elite-Amateur aus den 80ern wohlbekannt – beim Bonanza-Team von Werni Arnold. Und heute erfolgreicher Illustrator zweier Comic-Bücher: «Tour de Suisse, Geschichten zur Geschichte» und «Die Nacht in der ich Eddy Merckx schlug». Empfehlenswert. www.marclocatelli.ch |
Marcel und Monique Segessemann, Sergio Gerosa und Bruno Wüest, wünschen Euch viel Spass mit dem Film "Mit Eddy Merckx"
© Mit freundlicher Genehmigung der Ringier AG